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Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum

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Beitrag von Ósk Do Nov 01 2012, 23:20

Der Kappzaum

Man kennt ihn oder man kennt ihn nicht. Entweder ist man begeisterter Nutzer oder aber man lehnt ihn ab. Eine Zwischenmeinung existiert kaum. Wofür ist dieses uralte Ausbildungsinstrument eigentlich? Ist es noch zeitgemäss oder sollte man es zum alten Eisen legen? Und was ist das eigentlich genau, so ein Kappzaum?

Wenn man heute in den Laden geht oder das Internet durchstöbert, wird man relativ schnell fündig nach Gegenständen, die alle mehr oder weniger ähnlich aussehen und alle irgendwie mit Kappzaum bezeichnet werden. Manche sehen aus wie ein einfaches Stallhalfter mit lediglich etwas verstärkter Nase, andere bestehen aus einer beeindruckenden Menge Leder mit fast waffenscheinpflichtigen Metallkonstruktionen. Wieder andere haben ein sehr schmales Nasenteil, sind eher weniger gepolstert und haben entweder einen festen Metallbügel oder aber eine Gliederkette im inneren. Meist werden sie mit fremd tönenden Namen wie Serreta oder Caveçon verkauft. Allen gemeinsam ist aber die Befestigung von 1 bis 5 Ringen auf der Nase. Nur – für was setzt man nun was ein?

Die alten Meister kannten verschiedene Kappzäume für verschiedene Ausbildungsbereiche. Der heute verbreitetste ist das Longieren, aber auch zur Arbeit an der Hand, zum Reiten, sowie zur Arbeit zwischen den Pilaren wurde der Kappzaum eingesetzt. Ebenso haben sich in den unterschiedlichen Reittraditionen des deutsch- (Wien), französisch- (Saumur) und spanischsprachigen (Jerez) Raums verschiedene Arten des Kappzaums entwickelt.

Die grundsätzliche Wirkung haben zunächst alle Kappzäume gemein. Durch den mittleren Ring auf der Nase ist eine präzise Stellungswirkung möglich, ohne dass zu leicht die Gefahr besteht, dass sich das Pferd im Genick verwirft. Mit den seitlichen Ringen ist eine Arbeit am Zügel möglich, ebenso der Einsatz von Hilfs- oder Pilarenzügeln. Da alle Kappzäume fest verschnallt werden müssen um nicht zu verrutschen sind sie je nach Bauart durchaus als recht „scharf“ aber genau in ihrer Wirkung einzustufen. Fakt ist, je stärker sie gepolstert sind, desto unpräziser werden sie in der Wirkung. Um nicht bei einseitiger Einwirkung (z.B. beim Longieren) das Auge zu gefährden, sollten alle Kappzäume über einen Backenriemen verfügen (Ausgenommen Semi-Kappzaum Versionen, welche Ausschliesslich zum Reiten gedacht sind). Die Position aller Kappzäume sollte bei ca. 2 Finger breit unter dem Jochbein liegen, nicht so hoch, dass es scheuert, aber auch hoch genug um nicht die Atemwege zu behindern oder das Nasenbein zu gefährden.

Nun aber zu den verschiedenen Kappzaumarten. Der hierzulande wohl bekannteste, der so genannte Deutsche Kappzaum besitzt ein ein- bis dreiteiliges breites, festes Naseneisen, welches dick mit Leder unterpolstert ist. Die Ringe können sowohl direkt als auch auf kleinen Stielen auf dem Naseneisen angebracht sein, letztere Version erwirkt bei Einwirkung einen gewissen Hebeleffekt und verstärkt die Schärfe. Wichtig ist, dass das Naseneisen optimal passt, um eine gute Führung und Einwirkung zu gewährleisten. Dazu ist im Fall ein Nachbiegen (ggf. durch einen Schmied) erforderlich.
Die spanische Variante des Kappzaums, die Serreta, wirkt deutlich schärfer, schon allein durch ihre viel geringere Polsterung. Es existieren sogar blanke Naseneisen, die an der Innenseite gezähnt sind und bei wehrigen Pferden bleibende Narben hinterlassen. So etwas ist als Tierquälerei abzulehnen. Die pferdefreundliche Version besteht aus einem glatten Metallbügel mit Lederummantelung. Durch diese sehr direkte Einwirkung auf die Nase, ist eine deutlich stärkere Schärfe gegeben als beim deutschen Kappzaum. Wichtig ist hier auch im besonderen die individuelle Anpassung des Eisens auf die Nase, da durch die nahezu fehlende Polsterung nichts ausgeglichen werden kann.
Das Caveçon als eine der beiden bekannten französischen Versionen hat im Innern der Lederummantelung eine Gliederkette ähnlich einer Fahrradkette. Es hat den Vorteil, sich gut auf die Nase anzupassen, aber birgt eben auch eine gewisse Schärfe. Die andere französische Variante ist der Kappzaum nach dem Vorbild des Renaissance-Reitmeisters Antoine de Pluvinel. Er besitzt kein festes Naseneisen, sondern die Ringe sind in das Ledernasenteil genietet. Öfter findet man bei dieser Variante die Ringe auch auf längeren Stielen.

Wichtig bei allen Kappzäumen ist ein guter Sitz ohne zu verrutschen. Da ist Leder meist das bessere Material. Im Handel finden sich auch Kappzäume aus Nylonmaterial, manche mit, manche ohne Naseneisen, welche aber nur in den seltensten Fällen passen und sich gut verschnallen lassen. Bei der Suche nach einem passenden Kappzaum ist man daher meist mit einem guten Lederzaum besser beraten. Ein nicht passender Kappzaum verfehlt seine Wirkung und hat daher keinen Sinn in der Pferdeausbildung.
Passt er jedoch, sind, wie bereits oben erwähnt die Einsatzgebiete vielfältig. Zum Longieren eignet sich der schwere, deutsche Kappzaum recht gut, da er durch die Polsterung nicht ganz so scharf wirkt wie die schmaleren Varianten. Ein Pferd an der Longe an der Serreta oder am Caveçon zu führen bedarf einiger Fertigkeit und Feinfühligkeit. Zum Reiten und zur Handarbeit sind jedoch die deutschen Kappzäume meistens zu schwammig in der Wirkung. Oftmals sitzen auch die seitlichen Ringe an einer ungeeigneten Position für das Reiten. Das kommt daher als dass sie ursprünglich für das Anbinden an die Pilaren konzipiert wurden oder aber den Einsatz von Hilfszügeln.
Die spanischen und französischen Varianten des Kappzaums wirken vielleicht auf den ersten (menschlichen) Blick pferdefreundlicher, da sie aus deutlich weniger Material bestehen und daher leichter sind. Aber sie wirken eben auch deutlich direkter auf die Nase ein und potenzieren so die Schärfe. Daher ist bei einem Einsatz dieser Zäume an der Longe eine besonders gute Vorarbeit notwendig und eine sehr erfahrene Hand, da sich insbesondere auf grössere Entfernungen viel leichter Handfehler einschleichen. Daher versteht sich von selbst, dass diese Art Kappzaum sich besonders für die Arbeit nah am Pferd (Handarbeit/Reiten) eignet. In vielen Reittraditionen erfolgt die ganze Grundausbildung der Pferde am Kappzaum und dieser wird dann mit einem Gebiss kombiniert. Beim Anreiten ist das auch insofern besonders sinnvoll, als dass das Pferd so zunächst daran gewöhnt werden kann, das Gebiss entspannt auf der Zunge zu tragen.
Diese Kombination empfiehlt sich auch für Pferde, welche schlechte Erfahrungen mit dem Gebiss gemacht haben und langsam wieder an die Einwirkung eines solchen gewöhnt werden sollen. Wenn ein Gebiss verwendet wird sollte dieses jedoch nicht direkt am Kappzaum befestigt werden, da es sich mittels Gebissriemchen nur seltenst genau positionieren lässt.

Alles in allem lässt sich sagen, dass der Kappzaum ein äusserst wertvolles Hilfsmittel in der Pferdeausbildung ist mit dem sehr pferdefreundlich ausgebildet werden kann. ABER, und das soll betont werden, es handelt sich um eine scharfe Zäumung mit der man ebenfalls auch viel Leid anrichten kann. Nur weil kein Gebiss darin hängt, ist es nicht automatisch sanft. Daher sollte man sich vor dem Gebrauch umfassend informieren und den Umgang erlernen.

Bei Interesse stelle ich auch gerne Links zur Verfügung wo man sich die Faksimiles der Schriften der alten Meister legal herunterladen kann.

Bilder der verschiedenen Kappzaumarten werden folgen, sobald ich wieder Zugriff auf die grosse Festplatte und damit auf mein Fotoarchiv habe.
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Beitrag von Ósk Fr Nov 02 2012, 11:26

Der deutsche Kappzaum:
Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum D-Kappzaum-1
Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum _MOV0065-2
Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum _MOV0010
Auffallend ist die dicke Polsterung und das breite Naseneisen. Die aufgeführten Versionen besitzen alle ein Naseneisen mit Scharnieren.

Ein Caveçon:
Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum Cavecon1-1
Das Caveçon kombiniert mit Trense:
Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum Trense
Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum Cavecon2
Bei empfindlichen Nasen oder als Anti-Rutsch-Massnahme kann es sinnvoll sein, das Caveçon mit einem Fell zu polstern:
Artikel des Monats November 2012: Der Kappzaum Cavecon
Weitere Bilder sind in Arbeit... Work
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Beitrag von Ósk Sa Nov 03 2012, 01:03

William Cavendish Duke of Newcastle (Übersetzung Freiherr von Bernau, 1700, Transkription Ósk) schreibt in seiner Schrift "Der vollkommene Bereuter" im II.Teil, Kapitel V.
Der Caveçon dienet ein Pferd zu erhalten/ in die Höhe zu richten/leicht zu machen/das umwenden zu lernen/ es plötzlich auf zuhalten/den Hals biegig zu machen/ das Maul wol zu versichern/ und seinen Hals und Kreuz/ in allen seinen Bewegungen und Geberden/ in rechter Gleichheit und Gewichte zu führen/ das Maul unverletzt und gut zu erhalten/ die Kinnbacken zu verschonen/ und das Ort für die Kinn-Kette frey zu lassen/ und kein einziges Haar alldorten abzuschneiden; ferner tauget er die Schenckel und vorderen Füsse/ ja den ganzen Laib wol zu biegen/ und denselben tüchtig zu machen/ Dienste zu thun/ dadurch der Reiter ergetzed wird.
Derohalben rathe ich/ daß ihr euch dessen bey den meisten Pferdern/ (von was Natur dieselbigen auch seyn mögen) bedienen sollet; dann sie werden hernach mit dem Zaum allein viel besser gehen/ wann man ihnen den Cavecon wieder abnimmet; Sie werden ein gutes Maul behalten/ und in demselbigen so zärtliche Empfindung haben/ daß sie die geringste Bewegungen der Hand/leichtlich warnehmen können/
Ósk
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