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Artikel des Monats Juni 2012: Der Traber

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Beitrag von Nonstop Hanover Di Jun 05 2012, 09:53

Wie ihr alle wisst, habe ich seit ungefähr einem Jahr ein eigenes Pferd.
Dieses Pferd ist aber nicht einfach nur ein "Pferd", nein es ist eine ganz besondere Rasse: Der Traber.

Da ich in dem einem Jahr viel über diese Rasse gelernt habe und sie mich immer mehr fasziniert möchte ich euch auch den "Traber" als Freizeitpferd, näher bringen.

Leider ist der Traber unter vielen Reitern und Pferdemenschen immernoch verpöhnt, was ich selbst nicht ganz so nachvollziehen kann. Vielleicht kann ich mit meinem Artikel ein bisschen mit den Vorurteilen aufräumen.

Aber das soll auch keine Lobeshymne werden, nein, auch die Nachteile eines Trabers möchte ich beleuchten.
(Sonst wollen ja alle noch einen Traber Zwinker )

Der "Traber":

Urpsrünglich wurde diese Rasse gezogen, weil man Leistungsfähige Wagenpferde haben wollte.
Dafür wurden verschiedene Gangpferde miteinander gekreuzt.
Aus dieser Zucht entstanden die ersten Traber, die später für die Wagenrennen eingesetzt wurden.

Mitterweile werden die Traber fast ausschließlich für die Trabrennbahnen gezüchtet, wo sie in Sulkyrennen, oder Trabreiten gegeneinander antreten.

Hier mal ein kleiner Auszug aus Wikipedia zu den Zuchtrichtungen:

Der deutsche Traber basiert auf drei Zuchten:

-> Das American Standardbred oder der Amerikanische Traber ist der schnellste Traber. Daher ist er Zuchtgrundlage (durch Importe und Verdrängungskreuzung) der meisten Traberzuchten der Welt, so auch der deutschen Zucht.

->Der Trotteur Français oder der Französische Traber bildet eine eigene Population mit nur geringem Einfluss des Standardbreds. Er ist in der Regel nicht so schnell wie das Standardbred. Da in Frankreich großer Wert auf den Erhalt der Rasse gelegt wird, ist das Rennreglement so gestaltet, dass ausländischer Einfluss gering bleibt. Der Französische Traber ist in der Regel groß und trabsicher und wird auch im Hinblick auf Reiteignung gezüchtet, da in Frankreich viele Trabrennen mit Reiter ausgetragen werden. In der deutschen Zucht hat er einen Anteil von unter 10 %.

->Der Russische Traber oder Metis-Traber ist auf der Grundlage des Orlow-Trabers durch Einkreuzung des Standardbreds entstanden. Diese beiden Rassen haben auf die deutsche Zucht nur noch einen sehr geringen Einfluss.
(Qelle: Wikipedia:http://de.wikipedia.org/wiki/Traber)

Das zeigt auf, das Traber nicht gleich Traber ist.
Mein Traber ist ein russischer Traber, da er als Orlow Traber eingetragen ist.
Javellins Traber ist ein Amerivan Standardbred.

Durch diese verschiedenen Zuchten kommt es zu den unterschiedlichsten Typen.
Es gibt sowohl den Warmblut, als auch den Vollblut Typ. Auch sind alle Größen vorhanden. Von Ponymaß bis hin zu Stm. 1,70 oder mehr. Da es in der Zucht nicht auf Aussehen, sondern Leistung ankommt kann man den Traber nicht leicht identifizieren.
Was allen Trabern aber gleich ist, ist eine starke aktive Hinterhand, die den nötigen Schub geben soll. Ausserdem besitzen Traber oft sehr raumgreifende Gänge.
Traber können im Trab Geschwindigkeiten von 45–50 km/h erreichen.

Gegen den landläufigen Meinungen besitzen Traber ALLE drei Grundgangarten: Schritt, Trab, Galopp.
(Denn ein Warmblut kann ja auch Trab!)
Viele Traber besitzen durch die Einkreuzung der amerikanischen Gangpferde ausserdem noch eine Veranlagung zum Pass und Tölt. (Familie Vier.haus ist auf Gangpferde und vorallem töltende Traber spezialisiert)
Zudem zählen Traber zu den schnellsten töltenden Pferden.
Aber warum haben Traber so Probleme mit dem Galopp?
1. Der Bewegungsablauf wird ihnen von Klein an "aberzogen". Später wissen sie garnicht mehr genau, wie man seine 4 Beine sortiert um in den Galopp ´zu kommen.
2. Der Traber verbindet Galopp mit harten Maßregelungen, hartes durchparrieren oder Schlimmerem.
3. Da im Trab so eine hohe Geschwindigkeit erreicht werden kann, verstehen viele Traber garnicht den Grund in die (für sie häufig LANGSAMERE) Gangart zu wechseln.

Vom Wesen her sind viele Traber sehr nervenstark. Auf der Rennbahn muss so manches Trabertier viel mitmachen. Von "Komplettdusche" bis regelmäßigem Kontakt mit Lautsprecherdurchsagen, Menschenmassen und riesige Traktoren.
Ebenfalls wird in der Zucht auf Nervenstärke hohen Wert gelegt, weshalb es auch zu diesem Charakterzug kommt. Ein nervöser Traber wird nie erfolg im Rennen haben.

Nun zu der Arbeitswelt eines Trabers (und warum es uns so schwer fällt aus den Trabern ein ansehnliches Reitpferd zu basteln)

Die Traber müssen vor einem Sulky laufen. Durch diese Art des Rennes fällt die Einwirkung durch Gewicht und Schenkel weg. Die einzige Kommunikatio die ein Fahrer zu seinem Pferd aufbauen kann, ist, durch Peitsche, Leine und Stimme.
Die Leinen werden hart angenommen um danach wieder "aufgemacht" zu werden, das signalisiert dem Pferd VORWÄRTS. Ebenso das kurze Annehmen der rechten Leine.
Die Peitsche ist ausschließlich zum vorwärtstreiben da, wobei sie nicht in Kontakt zum Pferd kommt! Das ist regelwidrig im Trabrennsport.
Das erklärt, wieso viele Traber erstmal ganz erschrocken nach vorne preschen, wenn man mal den Schenkel benutzt. Zunächst ist es wichtig, den Schenkel dosiert einzusetzen, aber dem Pferd unmissverständlich klar zu machen, das es keine Angst vor dem Schenkel haben soll. Es hat sich gezeigt, das die meisten Traber dann erst richtig Rund laufen können/ans Gebiss heran treten können, wenn man mal mutig ist und treibt. (Die Rede ist nicht von tot bolzen!)
Ebenso reagieren die Traber sehr empfindlich aufs Gewicht. Das ist aber ein Aspekt den man durchaus für sich nutzen kann. Denn der Traber reagiert so fein auf Kreuz/Gewichtshilfen und man kann viel feiner Reiten. (Bedarf aber trotzdem Übung)
Ich konnte auch beobachten, das viele Traber die Zügelhilfen komplett falsch verstehen. Viele nehmen ein einseitiges annehmen als Richtungswechsel an oder als Grund loszupreschen. Auch ein Zügel annehmen (wie beim parrieren) wird oft als "Hol die letzte Kraftreserve aus dir raus!" Missverstanden. Hier geht es darum, die Zügelhilfen umzuschulen. Dazu haben sich bei mir viel Wiederholen/Lob, DL arbeit und Gebissarbeit vom Boden, bewährt
Viele Traber haben auch eine Abneigung gegen das Gebiss, da oft harte und Paraden gegeben werden.
Auch die "Panik" vor Peitschen, die unter den Trabern sehr verbreitet ist, ist nachvollziehbar. Peitsche, Gerte und Co wurden nie im Zusammenhang eines normalen Trainings als Verstärkendes Signal sparsam eingesetzt. Es wurde dem Traber bewusst eingetrichtert, Peitsche heißt VORWÄRTS.

Wird ein Richtungswechsel gefordert, hat der Fahrer nur die Leinen um das Pferd zu lenken. Ausserdem muss der Traber eine Seitwärtsbewegung vollziehen um sich mit Sulky zu drehen. Es erfolgt keine Biegung.
Wer einen Traber hat, kennt das sicherlich! Dem Traber fällt es einfach unheimlich schwer, mal eine reele Biegung anzubieten. Da ist viel gymnastizierung notwendig! Die meisten Traber sind auch nach ihrer Bahnkarriere sehr steif, da sie nie wirklich ihre Biegung und ihre Natürliche Schiefe ausgleichen konnten

Das Pferd wird nach oben hin ausgebunden, denn mit gesenktem Kopf fällt das angaloppieren leichter, was nicht gewünscht wird im Rennen.
Man muss dem Traber ersteinmal den Weg in die Tiefe zeigen. Für sie ist es normal, den Kopf in den Wolken zu tragen. Ausserdem haben sich nach einer Bahnkarriere auch die falschen Muskeln antrainiert. Der Unterhals ist einfach im Weg, wenn das Pferd sich strecken will. Mit dem richtigen Muskeltraining findet das Pferd aber schnell von allein in die Tiefe.

Führt man sich das alles mal vor Augen, versteht man viele Probleme, die der Traber später in der Umschulung hat!

Nun die Frage, ist ein Traber etwas für einen Anfänger?
Meine Antwort ist Nein. (Denn ich merke es momentan selbst).

Traber sind zwar meist sehr umgänglich im Umgang, sehr leistungsbereit und schnell lernfähig, ABER
Ein Traber ist Pferd, was vollkommen andere Hilfegebungen kennt, als ein "normales" Pferd. Das und noch dazu die hohe Leistungsbereitschaft machen es schwer, einem Anfänger dem Pferd das zu bieten, was man sich wünscht.
Es muss eine komplette Umschulung erfolgen, ein gutes Einfühlungsvermögen und eine sensible Reiterhand. Das ist meist nur von erfahrenen Reitern möglich. Ebenfalls muss man mit der hohen Grundgeschwindigkeit zurecht kommen.
Es muss eine vollkommen andere Muskelgruppe aktiviert und aufgebaut werden, als es beim Rennpferd der Fall ist. Dieses bewusste Training fällt einem Anfänger auch nicht immer leicht, da dieser meist einfach "nur" reitet.
Genauso verläuft es sich mit dem VA was man einem Pferd beibringen muss. Traber nach der Bahn sind einfach meist einfach nur unrittige brave Pferde, aus dem ein gesund laufendes Pferd gemacht werden muss!

Auch lassen sich viele von dem niedrigen Kaufpreis der Traber blenden. Doch das ist meist nur ein Trugschluss.
Denn auf den Käufer kommen noch Beritt, Reitunterricht und Reitlehrer Kosten zu. (Vorrausgesetzt man möchte ein halbwegs rittiges Pferd!) Dann können ausserdem durchaus noch diverse Tierarzt, Zahnarzt und Osteopaten Termine auf den Besitzer zu. Denn ein steifer Traber kann nicht einfach losgeritten werden. Meistens haben sich im laufe der Jahre das ein oder andere Knochenfragment verschoben, Blockaden sich aufgebaut, oder Muskeln verhärtet. Der Kaufpreis kann sich somit schnell mal verdoppeln.

Meiner Meinung nach ist ein Traber ebensowenig etwas für einen nicht ambitionierten FreizeitBUMMLER, wie für einen Anfänger.
Traber sind auf Leistung und "Kampfesgeißt" gezüchtet. Einfaches rumstehen (womöglich noch in der Box), Bewegungsmangel und vorallem Mangel an geißtiger Förderung sind für die meisten Traber ein graus! Sie WOLLEN etwas tun, etwas neues Lernen! Nicht umsonst sind Traber heut zu Tage in fast allen Disziplinen zuhause. Sei es als Spring/Dressur/Vielseitigkeits/Western/Distanzpferd! Traber sind intelligent und Leistungsbereit. Und können sich so schnell in vielen Disziplinen einfinden und gute Ergebnisse zeigen. Leider sind die Traber auch gerade wegen ihrem niedrigen Kaufpreis zu einem billigem Pferd für Unerfahrene mutiert. Schnell stellt sich Frust und Überforderung ein. Mit der richtigen Hilfe ist aber auch diese Probleme zu bewältigen.

Meiner Meinung nach sind das die perfekten Pferde für den ambitionierten Freizeitreiter, der noch lernen möchte und mit seinem Pferd lernen möchte. Man sollte Spaß an der Arbeit haben.
Man muss viel an der Basis arbeiten, wird aber für seine Mühe reich belohnt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, das man mit ordentlichem RU/Beritt und eine gewisse Portion Ehrgeiz und Mut ein wundervolles Pferd bekommt, das (hat man es erstmal auf seiner Seite) für einen durchs Feuer geht.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, das einen Traber zu haben meist mehr Arbeit bedeutet, als wirkliches "Genießen". Man muss eine Aufgabe haben wollen und Spaß am Training besitzen. Sonst ist man mit dem Traberlatein schnell am Ende und sucht sich lieber etwas ruhigeres und "einfacheres".

Noch kurz meine eigene Meinung:
Ich habe es auch schon sehr oft miterlebt, das man hört "für einen Traber springt er aber gut", "für einen Traber läuft er aber schon rund", "Für einen Traber...." usw. Aber ich persönlich bin es leid, die Rasse meines Pferdes als Entschuldigung für Unrittigkeit und schlechte Gymnastizierung zu nehmen. Selbst wenn nicht alles optimal gegeben ist, kann man trotzdem ganz normal mit diesen Pferden arbeiten und entweder es läuft gut, oder nicht. Hier im Forum gibt es auch genug Beispiele, das "auch" ein Traber ganz normal rittig und willig geritten werden kann! Leider erlebt man es oft, das selbst die "Trabersleute" (Wie sich die Sekte gerne nennt) durchaus auf der "Ausrede Traber" ausruht. Viele schließen sich von vornherein aus und wenn was schief läuft, dann wird schon keiner was sagen, ist ja "nur" ein Traber. Ich weiß noch, wie ich am Anfang immer entschuldigend gesagt habe, "Mein Pferd ist ein Traber" und dann kamen schon die verständnisvollen "ach ja, ok, na dann". Aber mitlerweile sage ich, "JoJo ist ein junges Pferd, er war mal Trabrennpferd, momentan wird er umgeschult" und wenn dann ein "ach ja na dann" kommt, sage ich klipp und klar, das es keine Entschuldigung ist für fehlende Ausbildung, das wir ja genau daran gerade arbeiten. Als ich dann noch im Stall letztens Kund getan habe, das ich mich in einigen Jahren auch zum Reitabzeichen anmelde wurde ich müde belächelt. Und genau das ist mein Ansporn. Ich möchte zeigen, das "auch" ein Traber zu einem guten Reitpferd werden kann.

Leider haben die Traber in der Reiterwelt keinen Guten Ruf. Vielleicht könnt IHR mir sagen wieso? Aus diesem Grund landen viele Traber beim Schlachter, da man keine Abnehmer für "Renter" der Bahn findet. Und ein stehendes Pferd kostet.

Ich hoffe mein Artikel hat euch gefallen und es beantwortet so manche Frage über den Traber.
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