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Anlehnung – Was ist das eigentlich?

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 13:46

Die Definition der FN kennen vermutlich die meisten:

„Anlehnung ist die stete, weich-federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul.“

So richtig viel anfangen konnte ich damit noch nie und bin nach meinem Eindruck damit auch nicht allein. Deshalb habe ich im Laufe der Zeit für mich Zitate aus verschiedenen Büchern zusammengetragen, die den Begriff Anlehnung ausführlicher beschreiben. Manche Autoren bleiben bei ihren Erklärungen eher allgemein und beschränken sich v. a. auf die Empfindung in der Reiterhand. Manche werden ausführlicher und gehen auch auf die Faktoren ein, die die Anlehnung beeinflussen. Interessant finde ich jedoch, dass es über die allgemeine Beschreibung hinaus zwei grundverschiedene Auffassungen von Anlehnung gibt.

Die eine Auffassung strebt in verschiedenen Abstufungen nach einer mehr oder weniger „festen“ Anlehnung und sieht die Notwendigkeit, dass das Pferd in der Hand eine Stütze findet. Hier wird mit fühlbarem Kontakt zwischen Hand und Maul geritten; der Reiter hat dabei also etwas mehr in der Hand als nur das Eigengewicht der Zügel. Wie „fest“ die Anlehnung dabei ist, wird maßgeblich bestimmt vom Tempo der jeweiligen Gangart und dem Sitz des Reiters; manche sehen hier auch einen Zusammenhang mit dem Exterieur und Temperament des Pferdes. Es scheint jedoch immerhin Einigkeit darüber zu geben, dass die Anlehnung umso leichter und feiner wird, je mehr das Pferd ins Gleichgewicht bzw. die Versammlung kommt. Manche sehen die Stütze in der Hand auch nur als Übergangsphase, die mit fortschreitender Ausbildung überflüssig werden soll.

Nach der anderen Auffassung soll das Pferd gerade (auch und ganz besonders zu Beginn der Ausbildung!) keine Stütze in der Hand finden, weil eine solche Stütze zu Verspannungen führt und verhindert, dass das Pferd sein Gleichgewicht auf seinen vier Beinen sucht und damit zur Selbsthaltung findet. Hier wird in verschiedenen Abstufungen mit „loser“ Anlehnung bzw. mit „losem“ Zügel geritten, der - je nach Autor - mal nur leicht oder aber auch deutlich durchhängt, in jedem Falle aber so weit, dass dem Pferd ein Abstützen darauf unmöglich gemacht wird.

Darüber hinaus habe ich herausgefunden, dass der deutsche Begriff Anlehnung sich vom französischen Wort appui ableitet. Anlehnung ist jedoch nur eine von mehreren möglichen Übersetzungen. Man kann appui außerdem übersetzen mit Stütze, Halt, Auflage, Brüstung, Lehne, was zur Auffassung der „festen“ Anlehnung passt. Man kann appui aber auch übersetzen mit Unterstützung, Befürwortung, Hilfe, was dann wieder besser zur „losen“ Anlehnung passt.

Ich stelle im Folgenden mal einige dieser Zitate ein, der besseren Übersichtlichkeit wegen die Zitate eines jeden Autors in einem separaten Beitrag. Danach würde ich gern darüber diskutieren, und auch, ob und ggf. in welchen Situationen ihr die „feste“ oder die „lose“ Anlehnung besser bzw. sinnvoller findet und natürlich WARUM. Solange bitte mal noch nichts schreiben, ich werde ein Startsignal geben.

mohirah

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Anlehnung – Was ist das eigentlich? Empty Re: Anlehnung – Was ist das eigentlich?

Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 13:49

François Robichon de La Guérinière,
Die Reitkunst oder gründliche Anweisung zur Kenntniß der Pferde, deren Erziehung, Unterhaltung und Abrichtung, nach ihrem verschiedenen Gebrauch und Bestimmung

(Übersetzer: I. Daniel Knöll)

S. 139 f.
Anlehnung (Appui) nennt man das Gefühl, welches die Wirkung der Stange in der Hand des Reiters hervorbringt, und anderntheils die, durch die Hand des Reiters auf des Pferdes Laden, zuwege gebrachte Wirkung. Es giebt Pferde, die zu wenig, andere die zu viel und noch andere, die volle Anlehnung haben (Appui à pleine main). Die, welche keine oder zu wenig Anlehnung haben, sind solche Pferde, die das Mundstück fürchten und dessen Druck auf den Laden nicht leiden können. Diejenigen Pferde, welche zu viel Anlehnung haben, sind solche, die sich in die Hand legen. Wenn ein Pferd aber, ohne sich in die Hand zu legen, oder mit dem Kopf zu schlagen, eine stäte, leichte und mäßige Anlehnung hat, so sagt man: es hat volle Anlehnung oder das beste Maul. Diese drei schönen Eigenschaften, die das gute Maul eines Pferdes bezeichnen, sind mit jenen der Hand des Reiters übereinstimmend, die ebenfalls leicht, sanft und stäte sein muß.

S. 174
Ich habe oben gesagt, daß eine gute Hand drei Eigenschaften enthalte, daß sie leicht, weich und stäte seye.
Eine leichte Hand ist diejenige, welche die Anlehnung des Mundstücks auf den Laden nicht fühlt.
Weich ist die Hand, wenn sie die Wirkung des Mundstücks ein wenig fühlt, ohne das Pferd zu fest zu halten.
Eine stäte Hand ist diejenige, die das Pferd in einer vollen Anlehnung hält.
Es ist eine große Kunst, diese drei verschiedenen Bewegungen der Hand, nach der Natur des Mauls jedes Pferdes, zu vereinigen zu wissen, ohne es zu viel anzuhalten, und ohne auch die wahre Anlehnung des Maules auf einmal ganz zu verlieren und zu viel nachzugeben; nemlich: wenn man mit der Hand nachgegeben hat, welches die Verrichtung der leichten Hand ist, so muß man gelinde wieder anhalten, um nach und nach die Anlehnung des Mundstücks in der Hand wieder zu suchen und zu fühlen, welches man eine weiche Hand haben, heißt. Man verhält darauf mehr und mehr, indem man das Pferd in einer stärkern Anlehnung erhält, welches von der stäten Hand herkömmt, läßt alsdann gelinde wieder nach und verringert das Gefühl des Mundstücks in der Hand, ehe man zu der leichten Hand übergeht; denn die weiche Hand muß allezeit der Wirkung der stäten Hand vorhergehen und ihr folgen; niemals darf man auf einmal nachgeben oder festhalten; das Maul des Pferdes würde dadurch verdorben werden, und man würde es veranlassen, mit dem Kopf zu schlagen.

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 13:51

Theodor Heinze,
Deutsche Reitkunstschule


S. 166

Über Anlehnung

Unter dem Kunstwort „d i e  A n l e h n u n g“ versteht man das aufmerksame Empfangen und Annehmen jedes Eindrucks der Reiterhand, welchen diese im Maule des Pferdes erregt, wobei sich die hintern Kinnladen stets sanft an das Mundstück lehnen, beide Zügel vollkommen annehmen und denselben augenblicklich gehorchen.

Das Pferdemaul harmoniert bei  v o l l e r  A n l e h n u n g, dem vollkommensten Grade derselben, auf das Genaueste, durch die empfangenen Eindrücke der Hand, mit dem ganzen Körper und verändert und bestimmt demgemäß auf das Schnellste seine ganze Stellung sowie seinen Gang.

Der Reiter hat bei der richtigen Anlehnung, bei welcher der innere Zügel gewissermaßen spielend wirkt und der äußerte stete verwahrt wird, das angenehmste Gefühl in der Hand, ebenso das Pferd im Maule, indem die Hand den höchsten Grad der Stetheit, Weichheit und Leichtigkeit in sich vereinigen und erhalten kann.

Nur auf einem vollkommen abgerichteten Pferde, welches, wie es sich von selbst versteht, Gleichgewicht, Biegsamkeit und Gehorsam und eine schöne, richtige Stellung besitzt, kann ein geschickter Reiter, der sein Pferd in der Hand und zwischen den Schenkeln hat, im herrlichen Gefühle der Meisterschaft die volle Anlehnung, welche die Seele der Kunst ist, wahrnehmen, wodurch derselbe zum unbeschränkten Gebieter seines Rosses wird.


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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 13:52

Louis Seeger,
System der Reitkunst


S. 62 f.

Unter dem Worte Anlehnung versteht man in der Sprache der Reitkunst den steten Druck, welchen die Hand des Reiters vermittelst der Zügel durch das Gebiss im Maule des Pferdes hervorbringt; dieselbe kann dreierlei Art sein, nämlich: fest, weich und leicht, und demnach ist der Druck stärker oder schwächer. Das Pferd darf sich diesem Drucke weder entziehen, d. h. hinter die Hand kriechen, noch ihm entgegenstreben, d. h. auf die Hand liegen, oder gegen sie gehen. Es muss das Maul des Pferdes so in Übereinstimmung mit dem ganzen Körper stehen, daß jeder von der Hand des Reiters ausgehende, im Maul erregte Eindruck sogleich die ganze Stellung und Richtung des Pferdes bestimmt; ist dies der Fall, so hat das Pferd eine gute Anlehnung.

Aus dieser Definition des Wortes Anlehnung folgt, daß das Pferd in’s Gleichgewicht gerichtet sein muss, wenn es eine möglichst gute Anlehnung erhalten soll, und aus dem, was über das Gleichgewicht des Pferdes bereits gesagt worden, geht ebenso hervor, daß es die ihm mögliche Biegsamkeit erhalten haben muss, um sich in’s Gleichgewicht richten zu können. Daher kann unter dem Ausdruck: „dem Pferde die gehörige Anlehnung geben“, nur verstanden werden, daß es in dieser Arbeit noch mehr als in der vorigen in’s Gleichgewicht gesetzt und biegsamer gemacht werde.

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 13:53

Christian Ehrenfried Seifert von Tennecker,
Handbuch der niedern und höhern Reitkunst


S. 46 ff.

100.
Das gute oder schlechte Maul, wie man eine fühlbare Anlehnung auf das Mundstück nach der Sprache der Reitkunst nennt, entspringt nicht aus den magern, erhabenen, dicken oder fleischigen Laden. Die Leichtigkeit, Fühlbarkeit und Haltung liegt nicht im Maule, sie liegt im Hintertheile. Ist die Last des Thieres gehörig vertheilt, die Schwere mehr auf die Hanken verlegt, und dasselbe durch die höhere Reitkunst gehörig biegsam und geschmeidig in allen Bewegungen gemacht worden, so wird eine Pferd mit dem übelsten Gebäude der Laden gelinde und leicht in der Hand seyn.

101.
Wir sehen dies, da wir bemerken, daß Pferde mit dem feinsten Gefühl, mit der leichtesten Haltbarkeit diese Vorzüge in einer kurzen Zeit verlieren, wenn sie von einem Reiter geritten werden, der sie nicht zu vereinigen, der ihre Schwere nicht auf die Hanken zu vertheilen weiß. Das Maul bleibt sich immer gleich, nur das Gleichgewicht des Pferdes geht verloren.

102.
Umgekehrt sehen wir wieder, daß Pferde mit dem unfühlbarsten Maule in kurzer Zeit Anlehnung, Haltung und Empfindlichkeit für das Mundstück bekommen, wenn sie von einem Reiter geritten werden, der sie ins Gleichgewicht zu setzen, der ihre Schwere von den Schultern auf das Hintertheil zu bringen versteht. Das Maul bleibt auch hier, wie es war; nur an Gleichgewicht und Haltung auf dem Hintertheil gewinnt das Pferd.

103.
Todte Mäuler, wie man im Allgemeinen von den Pferden zu sagen gewohnt ist, die schwer in der Hand sind, giebt es gar nicht; aber Pferde, die nicht auf das Hintertheil geritten, die nicht ins Gleichgewicht gesetzt sind, deren Schwere mit der Last des Reiters vereinigt auf den Schultern liegt, und die aus dieser Rücksicht keine Haltung, keine Anlehnung, keine Fühlbarkeit für das Mundstück haben, giebt es genug.

104.
Zureiten heißt daher, ein Pferd ins Gleichgewicht setzen, es biegsam und geschmeidig machen, und dadurch unserm Willen auf gewissen Zeichen gehorchen lernen, wie wir in der höhern Reitkunst ausführlich hören werden. Diese Bemerkung nur im Vorbeigehen und um dem Unterrichtenden eine Anleitung zu geben, das Gesagte über die Haltung im Gleichgewicht dem Lernenden verständlich zu machen.

105.
Am nachtheiligsten für die Reitkunst ist der elende Grundsatz, nach welchem man glaubt, Pferden, denen man ein todtes Maul andichtet, scharfe Stangen geben zu müssen, das heißt, Mundstücke, deren Eindrücke auf einem Punkt wirken, die Zungenfreiheit oder gar Galgen haben, wie man die vermehrte Aushöhlung der Mundstücke nennt, die mit Olivenwalzen und mit langen Bäumen versehen sind.

Alles diese macht das Pferd weder leicht in der Hand, noch mit dem Gebrauch seines Hinterheils bekannt. Nur die schmerzhaften Eindrücke, welche diese Art Mundstücke hervorbringen, verursachen höchstens, daß man die Pferde, die nicht ins Gleichgewicht gesetzt sind, um deswillen man ihnen ein todtes Maul Schuld giebt, leichter halten und parieren kann. Aber welchen traurigen, welchen eingeschränkten Begriff hat der von der Fühlbarkeit und Leichtigkeit des Thieres gegen die Hand, der nur glaubt, daß Parieren desselben ohne viele Kraftäußerung dieser Vorzug sey! Dies ist die geringste Eigenschaft von einem Pferde, dem man das Lob der Fühlbarkeit gegen das Mundstück zugesteht. Selbst die Leichtigkeit in den Wendungen, das rege Gefühl bei dem Verhalten aus raschen Gängen bezeichnet dieses Verdienst nur halb; der größte Theil davon besteht in einer Annehmlichkeit, in einem zarten, uns wohlbehagenden Gefühl in der Hand, das durch die sanfte Anlehnung des Pferdes auf das Mundstück entsteht und das wir empfinden, ohne es beschreiben zu können, und das eigentlich der höchste Besitz eines leichten, oder wie man sich in der Kunstsprache, als Gegensatz zu dem todten Maule, ausdrückt, eines lebendigen Maules ist.

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 13:56

Friedrich Wilhelm Carl Theodor Maria Freiherr von Krane,
Anleitung zur Ausbildung der Cavallerie-Remonten


S. 327 ff.

Ein Pferd, bei dem die Schnelligkeit der Rumpfbewegung mit der Action der Beine in voller Uebereinstimmung steht, dessen Hals sich in der vom Reiter begehrten Zusammenstellung zu tragen vermag, das weder den Einwirkungen des Gebisses activ widerstrebt, noch dieselben flieht: ein solches Pferd wird die Hand des Reiters eine gewisse Belastung fühlen lassen, durch welche eine fortwährende Verbindung zwischen dem Maul des Pferdes und der Hand des Reiters erhalten wird. Diese Belastung der Hand nennen wir „d i e   A n l e h n u n g“.
Die Anlehnung wird je nach der Versammlung des Pferdes eine stärkere oder schwächere, so lange das Pferd sich aber innerhalb derselben Versammelung befindet, von gleichmäßiger Stärke sein. Je höher die Versammelung des Pferdes, je geringer seine Neigung ist, desto feiner wird die Anlehnung; je geringer die Versammelung, je größer die Neigung in den Gang ist, um so stärker wird die Anlehnung. Da nicht die Gangart, sondern das Tempo der Gangart über den Grad der Versammelung entscheidet, so wird auch vom Tempo, nicht von der Gangart die Stärke der Anlehnung abhängig sein. Von einem Pferde, das sich in richtiger Anlehnung fortbewegt, sagt man: „d a s   P f e r d    s t e h t   a m   Z ü g e l“.
Das Pferd, welches bei selbstgetragenem Halse und natürlich herabhängendem Kopfe weder den Zügel flieht, noch gegen denselben kämpft, sondern am Zügel steht, zeigt sein Behagen durch eine kauende Bewegung des Maules, „e s   k a u t   s i c h   a m   G e b i ß   a b“.

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 13:57

E. F. Seidler,
Leitfaden zur systematischen Bearbeitung des Campagne- und Gebrauchs-Pferdes


S. 30 f.

Unter guter Anlehnung verstehen wir, wenn das Pferd mit Vertrauen vorwärts geht, das Mundstück gleichmäßig an seine Laden anliegen läßt, ohne die Wirkung desselben durch Gegenarbeit und Festhalten zu behindern; daß es, bei etwaigem Verlieren der Balance nach vorn, das Mundstück vertrauensvoll als eine augenblickliche Stütze ansieht, dem Nachgeben zum Eingehen in stärkere Gangart mit nachfolgt, um gleichmäßig daran zu bleiben; daß es beim Uebergange zu kürzeren Gangarten dem rückwirkenden Mundstück nicht entgegenstrebt, oder durch plötzliches Zurückhalten mehr zurückbleibt als das Mundstück wirkte, sondern nur der Wirkung desselben angemessen sich zurückschiebt, die Gangart verkürzt.

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 14:00

Gustav Steinbrecht (Hrsg. Paul Plinzner),
Das Gymnasium des Pferdes


S. 17 ff.

Wie bei den vortreibenden Hülfen die Schenkel stets in einer natürlichen, sanften Anlehnung mit dem Leib des Pferdes sein sollen, um die Hinterhand zu leiten, so sollen die Zügel als Leiter der Vorhand ebenfalls stets in sanfter Anspannung erhalten werden. Hierdurch wird ein leichtes, aber stetes Ruhen des Mundstückes auf den Laden bedingt, und dies ist die Anlehnung des Pferdes an die Hand des Reiters. Durch dieselbe ist dem Pferde die Richtung bestimmt, in welcher es gehen soll, und der Reiter kann nicht nur dadurch schnell und sicher seinen Willen aussprechen, sondern hat auch darin ein Verbindungsmittel mehr, durch welches er Haltung und Gang seines Pferdes beurteilen kann. Einige Schriftsteller haben sich bemüht für diese Anlehnung nicht nur eine Norm festzustellen, sondern sie auch sinnlich anschaulich zu machen, indem sie vorschrieben, die Gegenwirkung, welche die Hand am Maul des Pferdes empfinden müsse, solle etwa dem Widerstande gleichkommen, den weiche Butter ausübt, wenn man sie mit einem Faden durchschneiden will, oder den man fühlt, wenn man ein gewisses Gewicht mit einem Faden fortzieht. Es ist dies jedoch nutzlos, da jedes Pferd nach seiner Individualität seine eigenthümliche Art der Anlehnung nehmen wird, wie nach dem verschiedenen Bau auch die Gangarten ganz verschieden sein werden. Pferde mit feinen, scharfen Laden, leichter Vorhand und lebhaftem Temperament werden im Allgemeinen zu einer leichten Anlehnung neigen, und sich vielleicht niemals in eine feste hineinzwängen lassen. Pferde mit dem entgegengesetzten Bau werden mehr oder weniger die entgegengesetzte Disposition haben, und der verständige Bereiter wird gegen solche durch die Natur bedingten Eigenthümlichkeiten nicht gewaltsam ankämpfen, sondern die Extreme durch zweckmäßig gewählte Zäumung, hauptsächlich aber durch die Geschicklichkeit seiner Hand zu vermitteln suchen. Aber auch bei ein und demselben Pferde wird je nach der Richtung desselben die Anlehnung verschieden sein. Je weiter der Schwerpunkt nach vorne liegt, um so stärker muß auch die Anlehnung sein, da das Pferd in dieser Haltung mehr der Stütze der Hand bedarf, als der Führung derselben, indem von Biegungen und Wendungen alsdann nicht die Rede sein kann. In dem Grade aber, wie die Schwerpunkte von Reiter und Pferd, die, wie wir gesehen haben, stets senkrecht übereinander fallen müssen, nach hinten verlegt werden, muß auch die Anlehnung feiner werden, damit durch den möglichst leisen Druck des Gebisses auf die Laden die Empfindlichkeit der letzteren erhöht, und dadurch das Pferd befähigt werde, die sanftesten Bewegungen der Reiterhand wahrzunehmen und ihnen Folge zu leisten.
Man nimmt daher drei Abstufungen in der Anlehnung als Norm an, nämlich die l e i c h t e, die w e i c h e und die  f e s t e   A n l e h n u n g. Die erste repräsentiert die Richtung auf die Hanke oder die  h o h e  S c h u l e, die zweite die in’s Gleichgewicht oder das  K a m p a g n e – R e i t e n  und die dritte die Richtung auf die Schultern oder das  J a g d - und W e t t r e i t e n. Diesen Abstufungen entsprechend muß das Zügelmaaß, die Anlehnung des Armes und namentlich die Bildung der Faust richtig beobachtet werden.
Bei der  l e i c h t e n   A n l e h n u n g  ist das Zügelmaaß am längsten, da die Anspannung möglichst gering sein soll, der Reiter mit der Körperhaltung zurückgeneigt ist, und seine Hand mehr an den Leib gerichtet hat, weil er nicht viel Raum für seine feinen Anzüge bedarf. Die Faust ist halb geöffnet, so daß nur der Daumen und Zeigefinger das Ende der Zügel halten, der kleine und vierte Finger aber nicht geschlossen werden. Diese Bildung der Faust gewährt den doppelten Vortheil, daß sie ihrer geschwächten Stellung wegen überhaupt nicht hart einwirken kann, und daß der Reiter durch abwechselndes Schließen und Oeffnen der beiden unteren Finger in feiner, unsichtbarer Weise auf sein Pferd einwirken kann, ohne dabei die Hand im Handgelenk zu bewegen. Diese Faustbildung, die wir nach der Anlehnung, „d i e   l e i c h t e   H a n d“ nennen wollen, thut bei difficilen Pferden, die sich nicht an den Stangenzaum gewöhnen wollen, oft wahre Wunder, indem sie die Wirkung des Gebisses unendlich mildert.
Bei der  w e i c h e n   A n l e h n u n g  ist das Zügelmaaß schon kürzer, die Anspannung der Zügel etwas stärker, die Haltung des Reiters senkrecht, die Stellung seiner Hand eine Handbreit vom Leibe entfernt, um den nöthigen Raum für stärkere Handbewegungen zu haben, und seine Faust ist zur „w e i c h e n   H a n d“ geformt, d. h. so geschlossen, daß das letzte Gelenk der Finger gestreckt ist und eine hohle Faust gebildet wird. Die Höhlung der Faust bedingt auch noch eine schwächere Wirkung, und bildet gleichsam die Mitte zwischen der leichten und festen Hand. Die weiche Faustbildung wird von vielen Reitern als die allein richtige und zulässige angenommen, und sie haben Recht, wenn sie sich nur auf die Ausbildung von Kampagneschulen beschränken. Gehen sie aber darüber hinaus, oder wollen sie das Pferd in seiner natürlichen Richtung damit führen, so werden sie das Unzulängliche derselben bald erfahren.
Die  f e s t e   A n l e h n u n g  erfordert das kürzeste Zügelmaaß, theils, weil der Oberkörper des Reiters mehr vorgeneigt ist, theils, weil die Hand zu den oft starken Anzügen auch noch einer größeren Entfernung vom Leibe bedarf. Während bei den beiden vorigen Richtungen der Unterarm des Reiters eine leichte, natürliche Anlehnung am Körper nimmt, muß bei dieser in den schnellen Gangarten oft der Oberarm und Ellenbogen einen steten und festen Halt am Körper suchen, um dem vorwärts drängenden Pferde den nöthigen Widerstand leisten zu können. Aus diesem Grunde muß auch die Hand zur fest geschlossenen Faust gebildet werden, so daß sämmtliche Finger beim Erhalten des nöthigen Zügelmaaßes mitwirken, da in dieser Anlehnung der Zeigefinger und Daumen allein dies nicht vermögen.
Dies ist dann die „f e s t e   H a n d“, […]

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 14:01

C. Klatte,
Die Schnell-Dressur des Remonte-Pferdes


S. 28 f.

Eine der ersten Hauptaufgaben, die bei der Dressur des jungen Pferdes an uns herantritt, ist das ins Gleichgewicht setzen. […] Wie ist das durch die Belastung mit dem Reiter verloren gegangene natürliche Gleichgewicht wieder zu erlangen? Zunächst durch einen steten Sitz und die größtmögliche Passivität des Reiters, besonders aber seiner Hände. Viel Hülfen, die das Pferd na noch nicht einmal kenn, stören nur. Wenn dies hinreichend beachtet, wird das junge Pferd den Hals und Kopf so tragen, wie es ihm am Bequemsten und seinem Gebäude nach am Angemessensten ist. Diese gleichsam selbst angenommene Stellung von Hals und Kopf der Remonte wird […] bei der vorerwähnten Passivität der Reiter in den meisten Fällen eine tiefe sein. Das Pferd wird nach und nach in der passiven aber leichten Hand des Reiters eine Stütze suchen, die ihm derselbe gewähren muss.

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 14:07

Sabine Bruns,
Physio-Riding Handbuch Reiten


keine Seitanangabe im Dokument

Der Begriff Anlehnung gilt beim PHYSIO-Rinding nicht als Ausbildungsstufe, da wir die Anlehnung lediglich als Hilfestellung während der gesamten Ausbildung betrachten, nicht aber als direkt anzustrebendes Ziel.
[…]
Beim PHYSIO-Riding steht die Hand des Reiters dem Pferd in jeder Ausbildungsstufe zur Verfügung, damit es sich immer dann dort abstützen (anlehnen) kann, wenn es sich nicht allein ausbalancieren kann oder sein Gleichgewicht zu verlieren droht. Ziel ist es dann, dass das Pferd sich von der Hand abstößt, wenn es die Anlehnung nicht braucht.
nachzulesen: hier

Tatsächlich und im physiologischen Sinne bedeuten „Anlehnung“ und „Am-Zügel-gehen“ Folgendes: Das Pferd tritt mit den Hinterbeinen weit unter seinen Schwerpunkt und damit auch unter das Gewicht des Reiters. das Ausbalancieren dieses zusätzlichen Gewichtes auf seinem Rücken fällt dem Pferd leichter, wenn es dabei eine Stütze zur Verfügung hat. Diese Stütze bildet der Reiter mit seinen ruhigen Händen, die das Gebiss im Pferdemaul als Balance-Hilfe wie einen Haltegriff für das Pferd tragen.
Hierfür ist es absolut notwendig, dass der reiter mit seinen Händen passiv tragend zur Verfügung steht und keinesfalls mit ihnen agiert.
nachzulesen: hier

Sämtliche Einwirkung der Hände muss unterbleiben. die Hände tragen lediglich weich den Zügel und damit das Gebiss im Maul des Pferdes. wenn das Pferd nicht im Gleichgewicht ist, sondern die Vorhand stärker belastet als die Hinterhand, kann und darf es das vom Reiter vorsichtig angebotene Gebiss als Stütze nutzen.
nachzulesen: hier

Grundsätzlich ist hierbei zu beachten, dass das Pferd sich bei niedrigem Tempo am besten ausbalancieren kann. Je höher das Tempo wird, desto öfter wird das Pferd die Stütze der Hand suchen.
nachzulesen: hier

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Anlehnung – Was ist das eigentlich? Empty Re: Anlehnung – Was ist das eigentlich?

Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 14:12

Waldemar Seunig,
Von der Koppel bis zur Kapriole: die Ausbildung des Reitpferdes


S. 71

[…]eine sichere A n l e h n u n g, das ist die infolge T r e i b e n s durch Herandehnen ans Gebiß vom Pferd gesuchte elastische Verbindung mit der Reiterhand […]. Die Anlehnung nimmt ihren Anfang mit dem Beginn der Losgelassenheit und ist beim durchlässigen Pferd gesichert.

S. 287 f.
[…] ist der Schlüssel zur schwingenden Mittätigkeit des Rückens im richtigen Arbeiten der Hinterbeine zu suchen. Tun die ihre Pflicht oder können sie überhaupt trotz mangelhaften Baues noch ihre Pflicht tun, wird auch der Rücken sich strecken und die Anlehnung gesucht werden, so daß das Loslassen erfolgt.
Das Pferd kann sich nicht richtig bewegen, ohne daß der ganze Bewegungsmuskelapparat durch Strecken und Beugen mitarbeitet.
Sind Hinterhand und Rücken einmal in Ordnung, werden darum auch fehlerhafte Halsungen von selbst so weit in eine Reitform kommen, als es der Bau des betreffenden Pferdes überhaupt zuläßt.
Obwohl wir das wissen, sollen wir uns bei der Halsarbeit doch immer von neuem wiederholen, daß das Uhrwerk – Hinterhand und Rücken – das richtige Funktionieren des Zeigers bedingt und durch Herumbasteln an diesem nichts erreicht werden kann; was ins Reiterliche übertragen etwa heißt: Um den Hals zu arbeiten, arbeite Hinterhand und Rücken, dann gewinnst du den richtig am Zügel geformten Hals, die Anlehnung.

S. 165
Es ist von Wichtigkeit, daß wir dem Pferde keine Stütze im Maul gewährt, es mit ganz losem Zügel geritten haben, der nur da war, um Mutwillensäußerungen zu begrenzen oder Richtungsänderungen anzudeuten. Dadurch war das Pferd gezwungen, mit gedehntem Halse zu gehen und sein Gleichgewicht selbst zu finden.



Anmerkung: Es geht im Folgenden um das Einreiten, das erste Freireiten des jungen Pferdes in der Bahn, ohne Longe und Ausbindezügel:

S. 162
Erfahrungsgemäß erreicht man dieses Ziel [Anmerkung: Gemeint ist mit Ziel, das Pferd soll den Rücken hergeben, also ein falsches An- oder Abspannen des Rückens aufgelöst werden] am besten im natürlichen Trabe, in einem Gangmaß, das sich das Pferd selbst wählt und in dem man es mit ganz loser Zügelanlehnung gehen läßt. Diese darf nie zu einer Stütze werden, denn dann würden die Muskeln ihre falsche Spannung nicht aufgeben, da sie ja einen Halt an der Hand des Reiters finden würden, und das Pferd der Mühe überhoben wäre, einzig und allein auf seinen vier Beinen das Gleichgewicht zu suchen. Dadurch, daß ihm der Reiter jede stützende Anlehnung versagt, ist das Pferd gezwungen, sich in der natürlichen Selbsthaltung (s. d) zu tragen und muß, um diese aufrecherhalten zu könenn, ob es will oder nicht, alle bisher festgehaltenen Muskeln zu der ihnen im Plan des richtigen Bewegungsablaufes zufallenden Aufgabe heranziehen – sie „entkrampfen“.
Sobald dies geschehen ist und es sich selbst trägt, ohne zu eilen, ist auch das Gefühl des Zwanges, das ein krampfhaftes Schwingen der Muskeln zugleich verursachte und zur Folge hatte, verschwunden, und unser erstes Ziel, die Zwanglosigkeit, erreicht.

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Anlehnung – Was ist das eigentlich? Empty Re: Anlehnung – Was ist das eigentlich?

Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 14:15

Ina Cygon,
Die natürliche Pferdeausbildung


S. 97

Aus diesem Bestreben jedes jungen Pferdes, eine Stütze in der Hand des Reiters zu suchen, um mittels der Zügel sein verlorengegangenes Gleichgewicht wiederherzustellen, ergibt sich ganz logisch und folgerichtig die Forderung:

Es darf keine Hand und kein Zügel da sein.


Ausführlich nachzulesen: hier, ab S. 96

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 14:17

Sadko G- Solinski, Pferdegymnastik


S. 84

„Anlehnung“ hat somit nichts mit „Stützung“ und noch weniger mit kraftvoller Einwirkung zu tun. Sucht ein Pferd Anlehnung, so äußert es damit eine Art Hoffnung oder Erwartung, daß ihm der Longenführer oder Reiter bei der Erfüllung seiner Aufgabe mit Rat und Tat beisteht, und sei es vielleicht auch nur dadurch, daß er „zuläßt“, d. h. nicht eingreift, also das Pferd gewähren läßt.

Ergänzend möchte ich noch anmerken, dass es bei Solinski nicht nur die Anlehnung an die Zügel (bzw. die Longe) gibt, sondern insgesamt sieben Anlehnungen. Dabei richtet sich das Anlehnungsbedürfnis bzw. die Hilfe-Erwartung des Pferdes nicht nur an den Reiter (bzw. Longenführer), sondern auch an die nähere Umgebung.

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Beitrag von mohirah Do Nov 05 2015, 14:20

Uff, das waren jetzt alle Zitate. Falls jemand weitere beisteuern kann, immer her damit. Zwinker

Und nun: Haut in die Tasten! Zwinker

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Anlehnung – Was ist das eigentlich? Empty Re: Anlehnung – Was ist das eigentlich?

Beitrag von Napolde Do Nov 05 2015, 17:22

Super interessant, ich bin sehr gespannt auf Input, Meinungen, Diskussionen... Yeah
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Anlehnung – Was ist das eigentlich? Empty Re: Anlehnung – Was ist das eigentlich?

Beitrag von Mokka Do Nov 05 2015, 20:46

Hui, da hast du dir aber Mühe gemacht Smile

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Beitrag von Watz Fr Nov 06 2015, 08:23

Nur ein kurzer Gedanke hierzu, der mir am Morgen am Arbeitsplatz in den Kopf schießt:

Ich glaube, man muss bei all den Theorien und Ideen auch unterscheiden, ob aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweisen von einer (v. a. blanken) Kandaren- oder Trensenzäumung ausgegangen wird.

Für mehr Denken etc. habe ich jetzt leider keine Zeit.
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Beitrag von mohirah Fr Nov 06 2015, 10:24

Watz schrieb:Ich glaube, man muss bei all den Theorien und Ideen auch unterscheiden, ob aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweisen von einer (v. a. blanken) Kandaren- oder Trensenzäumung ausgegangen wird.
Ganz unwichtig ist das sicher nicht. Die "Alten" ritten ja oft auf blanker Kandare oder auch zunächst vierzügelig mit Kappzaum und blanker Kandare. Später kam dann erst die Kombination Kandare + Unterlegtrense. Für ausschlaggebend halte ich das Gebiss oder den jeweiligen gebisslosen Zaum dabei aber nicht.

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Beitrag von Teami Fr Nov 06 2015, 13:57

Ehrlich gesagt, haben die meisten Zitate eins gemeinsam ( ein paar wenige habe ich nur etwas überflogen... war mir etwas zu viel Tüte).
Die Anlehnung an die Zügel... der Reiterhand, ergibt sich aus dem Untertreten der Hinterbeine, das Suchen des Schwerpunktes unter den Pferdekörper. Je schneller die Gangart, desto weniger die Versammlung, desto stärker die Anlehnung bzw. das Gewicht auf der Reiterhand. Interessant fand ich auch das Zitat von.... keine Ahnung, steht da irgendwo Zwinker, dass die Stärke der Anlehnung durchaus auch vom Temperament des Pferdes abhängt, es sei denn, das Pferd ist so gut und weit locker geritten von einem "vernünftigen" Reiter, dass auch da eine weiche Anlehnung möglich ist.
Ein Zitat sprang aus der Reihe und zwar wurde davon gesprochen, dass ein durchhängender Zügel auch Anlehnung sein kann. Dem  würde ich jetzt widersprechen, da ich eine stete Verbingung zum Pferdemaul als Anlehnung betrachte. Interessant war auch noch das zitat, dass es keine "toten" Pferdemäuler gibt, sondern auch diese von einem guten Reiter gerittenen Pferde wieder die Anlehnung suchen. Anlehnung resultiert aus der Balance und dem Untertreten. Wobei ich da auch etwas widerspreche. Ein junges Pferd wird ja auch in Anlehnung geritten. Es vermag sich noch nicht zu tragen, aber die Reiterhand wird ihm immer angeboten, bis es lernt sich daran abzustützen.
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Beitrag von baobap Fr Nov 06 2015, 15:36

Für mich ist das ähnlich wie beim guten Paartanzen, wenn einer gut führen kann, tanzt auch der andere schon um Klassen besser. Wie beim tanzen - das ist für mich auch die selbe Art der Anlehnung, nur dass man beim Pferd den Willen jetzt
mit zu tanzen eben immer wieder wecken (können) muss. Das ist auch ein mitgehen miteinander, solange sich einer festkrallt oder gezogen werden muss, ist es halt noch Murks. Es kann ein Profipaartänzer eine Sequenz auch mal alleine tanzen (die sonst zu zweit gehört), aber es wird leichter sein und besser aussehen, wenn der Partner wieder die Anlehnung gewährt.

Anlehnung sagt für mich auch schon als Wort, dass es leicht, stetig, mitgehend sein soll, sonst hieße es Anziehung/Anhaltung/Anbindung oder ähnliches.

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Beitrag von mohirah Fr Nov 06 2015, 15:54

Teami schrieb:Anlehnung resultiert aus der Balance und dem Untertreten. Wobei ich da auch etwas widerspreche. Ein junges Pferd wird ja auch in Anlehnung geritten. Es vermag sich noch nicht zu tragen, aber die Reiterhand wird ihm immer angeboten, bis es lernt sich daran abzustützen.
Genau das ist ja aber der Punkt. Ein junges Pferd muss erst lernen sich auszubalancieren. Es kann sich zwar am Zügel abstützen (sofern der Reiter das erlaubt), aber es geht dann doch nicht in Anlehnung (im Sinne von Balance). Muss man  also zwei Arten von Anlehnung am Zügel unterscheiden? Eine stützende "Anlehnung" (solange das Pferd sich vorhandlastig bewegt, was ja letztlich heißt, dass es sich auf den Zügel legt) und eine reelle Anlehnung, bei der es sich in Balance bewegt und die Stütze der Hand nicht mehr braucht?

Wie sinnvoll ist so eine Stütze überhaupt? Mich überzeugen bisher ja die Argumente für die lose Anlehnung wesentlich mehr, als die für die feste Anlehnung.

Eine Stütze kann zwar vor einem Sturz bewahren, aber die Balance fördert sie doch eigentlich nicht. Balance stellt sich erst ein, wenn man auf Stütze verzichtet. Ein Kleinkind lernt selbstständiges Laufen erst dann, wenn es sich nicht mehr irgendwo oder an irgendjemandem festhält. Richtig Fahrradfahren lernt man nur ohne Stützräder.

Davon abgesehen, kann man sich doch eigentlich nicht auf einer Last abstützen, die man auf dem eigenen Rücken trägt. Wenn ich ein Kind auf den Schultern trage und mein Gleichgewicht verliere, kann ich mich doch nicht am Kind festhalten, um nicht hinzufallen. Das Kind kann mein Gleichgewicht allerdings durch seinen Sitz stören oder unterstützen, aber Halt geben kann es mir nicht.

Wenn ich in meinen Folgerungen nun so weit bin, dass eine Stütze eigentlich gar nicht möglich ist, in jedem Falle aber mehr schadet als nützt, ergibt sich daraus, dass ich sie von vornherein erst gar nicht anbieten darf. Ein Pferd das in Balance läuft, braucht keine Stütze, ist also leicht in der Hand. Und wenn mir das Pferd doch mehr in die Hand legt, dann weil es seine Balance verloren hat. Also muss die Anlehnung ja im Idealfall immer leicht sein, ich nie mehr in der Hand haben als das Gewicht der Zügel. Und wenn ich doch mal mehr in der Hand habe, dann ist das immer ein Hinweis auf einen Balanceverlust des Pferdes, aber kein anzustrebendes Ziel.

Kann mir noch irgendwer folgen? gaga

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Beitrag von Mokka Fr Nov 06 2015, 16:15

Ich finde das Wort "Anlehnung" für meine Vorstellung nicht passend. Wenn ich mich "anlehne", brauche ich eine Stütze, sonst falle ich um. Das ist nicht das, was ich beim Reiten anstrebe. Mohirahs Beispiel mit der Last auf dem eigenen Rücken passt dazu.

Ich bevorzuge "Kontakt". Das bezieht sich für mich zum einen auf die Verbindung Gebiss / gebisslose Zäumung zur Reiterhand, aber auch auf die gesamte Kommunikation über Sitz und Bein.

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Beitrag von Teami Fr Nov 06 2015, 17:06

Im Idealfall ist es tatsächlich nur eine Kontaktaufnahme. Ein junges Pferd würde ich nie in starker Anlehnung reiten, es sei denn, es geht durch, denn anders wüsste ich nicht, wie ich es zum halten bekomme. Aber das ist das keine Anlehung mehr, sondern Gezerre. und jetzt bitte , sagt nicht, das geht gar nicht. So etwas passiert eigentlich jedem mal in einem mehrjährigem Reiterleben.
Aber was ist der Idalfall? Auch ein Tanzpaar muss lernen, miteinander zu tanzen und dabei wrd sich auf die Füße getreten. Wenn ein junges Pferd von vornherein kennt, in leichter Anlehnung geritten zu werden, und dann noch genau das passende Temperament mitbringt, kann man es wahrscheinlich zu 98 % in leichter Anlehnung reiten.
Perfekte Anlehnung resultiert auf Balance und Gewichtsaufnahme auf der HH. Aber bis ich und mein Pferd soweit sind, müssen wir viel geübt haben bzw. einige Zeit warm und locker geritten sein. Und wer ist schon perfekt?
Ich liebe dieses Gefühl der leichten Anlehnung, komme aber nur nach intensiven Training in diesen höchsten Genuss und nur selten in den Wintermonaten, wenn mein ohnehin lauffreudiges Pferd noch spritziger ist. Dann verlangt sie (leider) nach einer festeren Anlehnung, wobei immer wieder getestet wird, ob es einer weicheren Anlehnung bedarf. Dabei versucht man dann diese nachgiebige , butterweiche Hand. Wir üben.... und das schon seit über einem Jahrzehnt.
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Beitrag von mohirah So Nov 08 2015, 16:36

@Teami
Deine Einwände sind alle berechtigt, wenn es um die Praxis geht. Mir geht's im Moment aber noch gar nicht um mögliche Schwierigkeiten in der Praxis, sondern erst mal um die Theorie. Und da gibt's nun ebe diese zwei widersprüchlichen Auffassungen.

Bevor ich anfange in der Praxis irgendwas zu üben, muss doch erst mal die Theorie klar sein. Mir geht es nicht darum, dass das Pferd nie Gewicht auf die Hand legen darf. Das ist Quatsch, weil es eben einfach jedem Reiter mit jedem Pferd passieren kann. Mir geht es darum, wie ich es bewerte, wenn das Pferd Gewicht in die Hand legt, weil sich daraus ja ergibt, wie ich damit umgehe. Laut der Theorie mit der festen Anlehnung, müsste ich mich darüber freuen, weil das Pferd sich dann ja gerade anlehnt, also genau das tut, was ich mir wünsche. Laut der Theorie mit der losen Anlehnung, müsste mir das dagegen eine Hinweis sein, dass das Pferd gerade aus dem Gleichgewicht ist und sich deshalb abstützt. Also kein Grund zur Freude, sondern Anlass, dem Pferd wieder zurück ins Gleichgewicht zu "helfen".

Meine junge Stute (wird noch nicht geritten) zieht an der Longe (Kappzaum, Seillonge, ohne Hilfszügel) auch ab und zu in die Hand. Das ist nur ein ganz leichter Zug, nicht unangenehm in der Hand und es kostet mich auch überhaupt keine Kraft, diesen Zug auszuhalten. Das Gefühl was ich dann habe, entspricht genau dem, das ich mir vorstelle, wenn jemand sagt: "Das Pferd soll in die Hand ziehen." Und das ist ja eine geläufige Beschreibung, wie sich Anlehnung anfühlen soll. Mir gefällt nur nicht wie sie in diesen Momenten läuft. Zu 100 % passiert das nämlich immer nur dann, wenn sie etwas schneller wird als es ihrem Arbeitstempo entspricht und zu sehr auf die Vorhand schiebt. Dieser leichte Zug ist in dem Fall also ein Zeichen von Balanceverlust. Ich habe bisher immer mit Nachgeben (=Stütze wegnehmen) reagiert und dann das Tempo reduziert. Sobald sie ihr Arbeitstempo zurückgefunden hat, läuft sie dann wieder ausbalancierter und "sucht" auch die Hand nicht mehr. Diese Beobachtung bringt mich aber zu dem Schluss, dass ein "In-die-Hand-Ziehen" (sogar dann, wenn es nur ganz leicht ist, und die Hand keine Kraft kostet) letztlich immer einen Balanceverlust bedeutet.

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Beitrag von Popcorn So Nov 08 2015, 17:24

So, meinen ersten Text hab ich - obwohl er so fleißig lang war - wieder gelöscht, jetzt nur ein Erlebnis von heute, ich denke zu genau der Frage nach Anlehnung:
Nach einer kleinen Reitrunde auf dem Platz haben wir uns die Ponys noch geschnappt, um einen Spaziergang am Halfter zu machen. Natürlich gab es auch flotte Jogging-Strecken dazwischen, wir wollen ja alle fit bleiben. Im Trab schlört mein älteres Stütchen gerne mal mit der Hinterhand, d.h. sie verpasst sich dann eine Karree-Form am Huf. Alles Treiben nutzt nichts. Da habe ich den Strick rechts um den Hals geführt und am Karabiner vorn wieder fest gemacht, so dass ich einen Zügel habe. Mit dem Arm über dem Widerrist und dem Zügel in der Hand sind wir dann weitergetrabt und diesmal konnte mein Stütchen die Hinterhand ordentlich mitnehmen, ich hatte allerdings relativ viel Gewicht in der Hand, wobei ich die Stütze auch immer mal wieder gelockert habe. Das Pferd braucht Spannung von hinten nach vorne, bildet die Brücke und kann dann ordentlich schieben, und bei meiner Stuti muss eben die Stütze stärker ausfallen. Das wäre dann aber im Übertragenen auch eine starke, feste...wie auch immer Hand beim Reiten. Im Unterscheid dazu trabte meine Jungstute elfengleich selbsttragend...was aber beim Reiten überhaupt nicht funktioniert, noch nicht funktionieren kann.
Anlehnung ist ein Wort mit mittlerweile viel zu vielen und falschen Bildern im Kopf, deshalb rede ich auch nur noch von Kontakt, und den will ich leicht und fluffig permant haben, wie Hand in Hand gehen - nur mit Zügel und Hand, dabei ist es mir mittlerweile egal, wie es irgendwo geschrieben steht. Kann mir in der Praxis doch eh nichts nützen, da muss ich schauen, wie es an welchen Tagen gebraucht wird. Natürlich hätte ich auch gerne ein Pferd, das ganz ohne Hilfe läuft und schwebt und tanzt.... mein Pferd hätte sicher auch gerne einen Reiter, leichter, weicher, flexibler...(oder am besten gar keinen oben drauf...).

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