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Artikel des Monats Mai 2013: Wenn unsere Pferde älter werden

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Beitrag von Teami Mi Mai 01 2013, 10:17

Hier geht es nicht darum, zu
beschreiben, wie man ein älteres Pferd bewegt, füttert oder behandelt.
In diesem Artikel geht es um unsere subjektive Wahrnehmung und um unsere
Gefühle, wenn wir sehen, dass unser Pferdepartner langsam , aber
unaufhörlich immer älter wird.
So, nun ist es amtlich. Meine Stute
wird dieses Jahr 16 Jahre alt. 12 Jahre begleitet sie mich nun schon.
Gestern sind wir ausgeritten und wir trafen eine alte Bekannte, mit der
wir vor Jahren gemeinsam Reitunterricht hatten. Sie sah mein Stütchen
und fragte:"Ist das immer noch deine Joke, die Joke? Sie sieht aber noch
ganz gut aus!"


Wie bitte? Ganz gut? Natürlich ist das noch mein Stütchen, klar doch! Und sie sieht natürlich gut aus, wie immer eben.
Zuhause
kam ich ans Überlegen. Hatte sie sich so verändert? Hatte sie nicht
wirklich. Und doch. Dieses Jahr brauchen wir nach der sehr langen
Winterpause doch etwas länger zum Muskelaufbau als die letzten Jahre.
Und letztes Jahr war ich nach langen Ausritten doch schon etwas
vorsichtiger, tastete öfter mal die Beine ab wegen ihrer Gallen, die sie
aber schon hatte, seitdem ich sie kenne. Ich rieb die Beine dann doch
lieber mit kühlendem Gel ein, machte sogar eine Blutegeltherapie und
mache es seitdem auch mal selber, wenn ich meine, es tut meinem Pferd
gut.
Ich beäuge den Rücken noch etwas genauer, achte penibelst
darauf, mein Pferd zu fordern, aber nicht zu überfordern. Schließlich
ist sie nicht das erste Pferd, das ich begleiten darf. Meine andere Stute
durfte ich bis ins hohe Alter von 32 Jahren begleiten.
Und doch,
seien wir mal ehrlich. Als mein Pferd damals 8 Jahre alt war und eine
Reitkollegin mit ihrem Wallach kam, der 14 war und schon einen gehörigen
Senkrücken hatte, war man doch stolz auf sein "junges", vor Kraft
strotzendes Pferd. Und dennoch lobte man brav das gute Aussehen des 14
jährigen und beruhigte die Reitkollegin, ihr Wallach wäre doch im besten
Alter. War er ja auch... aber dennoch war es schön, dass mein Pferd
erst 8 Jahre alt war. Und jetzt ist mein Stütchen schon 16. Im guten
Alter, aber nicht mehr im besten.

Ich lass mal meine Gedanken
wandern. Da sind meine Reitkolleginnen und ihre Pferde. Meine beste
Reitfreundin hat jetzt ein "neues" Pferd, einen 7jährigen, fast rohen
Jungspund. Ihr alter Pferdekumpel musste leider letztes Jahr gehen,
aufgrund einer schweren Erkrankung musste er eingeschläfert werden. Er
wäre dieses Jahr auch 16 geworden.
Meine andere Reitfreundin hat
ebenfalls ein "neues" Pferd, auch 7 jährig. Ihr ebenfalls 16 Jahre alter
Friesenwallach ist in Halbrente. Er hat einfach keine Freude und
keinen Elan mehr, unsere Wanderritte mit zu bestreiten. Aber er wird
sein Gnadenbrot kriegen.
Gut, gestern bei unserem langen Ausritt
steckte mein lauffreudiges Stütchen den Jungspund meiner Freundin mal so
eben in die Tasche, sie ist immer noch kraftvoll, aber man merkt, es
ist eher selten diese überschäumende Kraft. Ein bisschen tut es weh, zu
sehen, dass ein Leben begrenzt ist. Nicht nur das unserer Pferde, auch
wir selber werden nicht geschmeidiger und das werden auch unserer
vierbeinigen Freunde merken, wenn sie uns tragen, durch dick und dünn,
durch Wind und Wetter , durch Sonnenschein und Regen....ohne einen
Mucks, ohne zu klagen.

Die andere Seite aber ist, dass durch die
langen Jahre, die wir uns kennen, mein Pferdepartner und ich, wir
einander vertrauen. Meine Stute ist etwas schreckhaft, aber alles hat
seinen Schrecken verloren, weil ich weiß, wie sie tickt, weil sie weiß,
wie ich ticke, nach all den Jahren, die wir zusammen älter werden.
Meine
damalige Stute, die ich 22 Jahre begleiten durfte, zu dem Zeitpunkt mehr
als die Hälfte meines Lebens und zweidrittel ihres Lebens, hätte mich
getragen bis ans Ende der Welt, eben auch lauffreudig und motiviert, bis
zum Umfallen. Da musste ich meinen Verstand einsetzen und sie vor sich
schützen. Und sie fand in hohem Alter Freude daran, Kinder zu tragen, ab
und an und einfach nur betüddelt zu werden.

Ich sah einst ein altes
Pferd mit einer Reiterin, es trug seine Herrin tapfer und so flotten
Schrittes, wie seine alten Beine es erlaubten. Und ich sah den Blick in
seinen Augen, angestrengte, geblähte Nüstern, einfach beim Schritt
gehen,die vor Anstrengung geweiteten und fast hervortretenen Augen... und
schwor mir in diesem Augenblick, auch wenn mein Pferd es mir
anbietet.... nie möchte ich dies von ihm verlangen oder verlangen
müssen. Dafür will ich Sorge tragen, ich will Sorge tragen für mein
Pferd, wenn es mich tragen möchte, es aber vielleicht nicht mehr so kann
wie es gern will.

Mein Pferd und ich...wir haben hoffentlich
noch ein paar Jahre Zeit. Zeit, die wir genießen sollten, denn jetzt
wird sie weise, Führung für all die Jungspunde um uns herum, sicherer
Anker, wo immer auch Monster lauern. Und ich hoffe für mich, von ihrer
Weisheit zu lernen und weise zu sein, wenn sie es braucht und ich sehen
kann, wenn ihre Knochen zu müde sind , mich zu tragen und meine Wünsche
zu erfüllen. Dann liegt es bei mir, ihr ihre Wünsche von ihren weisen
Augen abzulesen.
Aber jetzt nicht..noch nicht, jetzt galoppieren wir
noch über die weiten Wiesen und lassen uns gemeinsam den Wind um die
Nase wehen!
Teami
Teami
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