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Artikel des Monats Oktober 2011: Einblick in das Turnierleben

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Beitrag von Nedserd Sa Okt 01 2011, 19:36

Samstag morgen 4.30 Uhr...

Nein ich komme nicht von einer Party ich fahre zum Reitturnier!

Es ist noch dunkel, ich schleppe mich voll bepackt zum Auto und düse zum Stall. Auf den Straßen und Dörfern ist Ruhe, im Stall ist gewusel.

Guten Morgääähn!

In einer halben Stunde geht es los! Schnell noch die restlichen Sachen in den LKW und die mitfahrenden Autos werfen. Oh Mist, Pferdchen hat sich über Nacht gewälzt, aber durch das super tolle Fellglanzspray lässt sich alles fix raus bürsten. Zum Glück sind die gestern gemachten Zöpfe noch alle drin geblieben. Transportgamaschen dran, Halfter drauf, kann los gehen....
Insgesamt fahren heute 9 Pferde mit. Ich kann mich noch etwas entspannen, meine Prüfung ist nicht die erste. Beim Turnierplatz angekommen, müssen manche meiner Stallkollegen schnell ihre Pferd fertig machen, denn in 45 min beginnt die erste Prüfung. Wir anderen gehen erstmal frühstücken, Kaffee und belegte Brötchen. Aber als erstes gehen wir an der Meldestelle vorbei und checken die Starterlisten um den anderen auf dem Hängerplatz telefonisch mitteilen zu können wann sie dran sind. Für die A-Dressur die ich mitreite gibt es auch schon eine Starterliste. Ich bin 13., unsere Glückszahl. Kurzer Blick auf die Uhr, die Prüfung beginnt in 60 min, 12 Starter dauern ca. 40 min, also gehe ich in 50 min langsam mein Pferd fertig machen. Bleibt genügend Zeit um den Turnierplatz zu erkunden. Wie sind die Bodenverhältnisse? Wo sitzen die Richter? Wie kommt man am besten vom Anhänger- zum Abreiteplatz? Mittlerweile läuft das erste Springen und ich gehe zu meinen Stallkollegen zum Abreiteplatz schauen. Springabreiteplätze sind hektisch und geprägt vom ständigen Steil, Oxer, Kreuz gerufe der Reiter. Man muss sich schon durchbeißen um auch mal einen Sprung zu machen. Bei manchen meiner Stallkollegen läuft es gut, bei manchen weniger.Ich gehe langsam wieder zum Hängerplatz, zwischen durch begegne ich noch vielen Leuten, man kennt sich, manche mehr, manche weniger. Man wünscht sich viel Glück, meistens auch nur aus Nettigkeit. Am Ende will jeder gewinnen, oder zumindest mit einem Schleifchen nachhause fahren. Ich hol erstmal mein Pferd vom Hänger runter. Hüüüüüühüüüüüü, ja Einstein ist nun auch da. Das die anderen ihm antworten interessiert ihn schon nicht mehr den er steht mitten auf einer saftigen Wiese. Ich bind ihn am Hänger an und beginne mich in meine Stiefel zu quetschen, Pferd zu satteln und zu trensen und meine TTs zu instruieren. Jackett und Aufgabenheft bitte mitbringen, Danke. Solche Equipment-Manager sind schon was tolles und unabdingbar. Ach ja und Fotos machen nicht vergessen, man denkt schließlich auch zum Turnier an das Forum... Auf dem weg zum Abreiteplatz bekomme ich dann auch langsam einen flauen Magen. Dort angekommen beginnt gerade die Prüfung, perfektes Timing.Ich parke mich mit Pferd erstmal neben dem Viereck, die ersten 2 Reiter sehe ich mir noch an. Es gab 2 mal eine gerechte Note. Ein Blick über den Abreiteplatz lässt erahnen wer eventuell zur Ehrenrunde mitreitet. Ich werde jetzt auch los machen und stürzt mich ins Getümmel. Der Vorteil beim Dressurreiten ist das beim abreiten meistens Ruhe herrscht. Mir begegnen beim reiten viele verschiedene Charaktere.Extrem ehrgeizige: Gesicht zur Faust geballt, meist verkrampft und dem Pferd wird ganz schön eingeheizt, eine Schrittrunde kann man da nicht erwarten. Unsichere/Ängstliche: Öfterer Blick zu den TTs, Trainern oder sonstige mitgekommene Personen, trauen sich kaum zu reiten sondern sitzen nur drauf, bloß nichts falsch machen. Es gibt fröhliche Mensch die mit anderen Reitern oder mit ihrem Pferd lachen. Es gibt unfreundlich die sich sofort im Ton vergreifen sobald der andere Reiter nicht sofort ausweicht. Es gibt Kinder, Jungendliche, Erwachsene,ja und auch Rentner. Genauso unterschiedlich sind auch die Pferde auf denen die Menschen sitzen. Faul, Gangfreudig, frech, lieb, talentiert oder auch nicht, jung, alt, groß, klein etc. Und das schöne ist vor den Richtern sind alle Gleich... zumindest sollte es so sein... mal abwarten ob es heute so ist. Nur noch wenige Starter vor mir, mein Pferd ist 10 cm größer wie zu hause und langsam kommt bei mir die Aufregung. Schnell noch das Jackett überziehen und warten bis der Reiter vor mir fertig ist. Bevor ich ins Viereck reite flüstere ich meinem Pferd noch was ins Ohr, übrigens immer das gleiche. Und los geht es...groß machen...vorwärts treiben....beim Durch die Länge der Bahn wechseln stur auf C gucken und Gas geben, damit es auch gerade wird...beim Galopp schön strecken...beim einfachen Wechsel, schwer machen und ausatmen....Mitteltrab, schieben, schieben, schieben....Der schönste Moment in einer Dressur lautet: A auf die Mittellinie abwenden.... Geschafft!!! Die Zuschauer klatschen, ich hatte ein gutes Gefühl, mal gucken was die Richter sagen. 7,7!!! JUHU!!! Bis jetzt liege ich vorn aber es kommen noch über 20 Starter. Zur Siegerehrung finde ich mich glücklich auf Platz 3 wieder. Es werden viele Schleifen verteilt, seit diesem Jahr wird das beste drittel und nicht mehr das beste viertel platziert. Mit mir platziert ist eine Reiterin mit vielen Erfolgen bis Kl. M, 20.000 Euro Pferde, Ponys, Jungendliche und schon in die Jahre gekommene Reiter. Eine bunte Mischung also. Ich freue mich riesig über das ergatterte Schleifchen und bin unheimlich stolz auf mein Pferd.
Im Anschluss beginnt eine L Dressur in der wir auch einen Startplatz haben. Der Abreiteplatz ist gefüllt für die nächste Prüfung... Hier sieht man schon andere Bilder...1 Reiter stellt 2 Pferde in dieser Prüfung vor, beide in Rollkur geritten und trotz umspringen im Außengalopp gewinnt er die Prüfung. Ein Schleifchen bekommt auch die beste Freundin der Richterin, ist doch klar. Ja und so in etwa stellen sich die platzierten der L Dressur zusammen. Für mich war es nur 1. Reserve. Sehr Schade und alles andere als fair. Müde und geschafft treten wir den Heimweg an.



Das war mal ein kleiner Einblick in einen Turniertag. Insgesamt investiert man ca. 15 Stunden mit Vor-und Nachbereitung für 10 min reiten und warum?
Es gibt 1000 Gründe und für jeden ist es ein anderer. Zum Beispiel aus Spaß, der immer an oberster Stelle stehen sollte. Es ist ein überprüfen der Leistung von Pferd und Reiter. Ein Turnier schweißt Reiter und Pferd im besten Fall mehr zusammen den es erfordert viel Vertrauen. Und sicher auch aus Ehrgeiz, es ist ein tolles Gefühl wenn das Pferd eine Schleife angesteckt bekommt. Bei manchen ist es auch einfach Schleife=Sekt.

Allerdings ist Turnierreiten eine Gratwanderung, ein Hin-und Hergerissen sein zwischen Erfolg/Spaß und liebe zum Pferd. Leider gelingt nicht allen ein gutes Mittelmaß zu finden. Meiner Meinung nach erneuert sich der Turniersport von unten nach oben. In den Kl. E und A kann man es wenig bis garnicht beobachten das Pferde für den Erfolg der Reiter leiden müssen.In den höheren Klassen sieht das schon anders aus.Es geht dabei auch um viel Geld. Der Wert eines Sportpferdes richtet sich nach dessen Platzierungen,wie diese zustande gekommen sind interessiert dabei die wenigsten.
Statt wegzusehen und sich zu beschweren, sollte jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten für einen gerechten Pferdesport kämpfen (nicht nur im Turniersport).
Jugend fördern denn diese sind die Zukunft des Pferdesports. Selber reiten und ein Vorbild sein. Viele Reiter die auf Defizite aufmerksam gemacht werden denken auch meistens darüber nach.Wenn sich jeder in seinem Rahmen engagiert ist schon viel geholfen.

Und liebe Turnierreiter immer daran denken:Wenn Wir nicht gewinnen,reiten wir wenigstens den Platz kaputt.

PS: Bitte daran denken, dies sind meine Erfahrungen bzw. Sichtweisen und es ist alles von Region zu Region unterschiedlich und auch bei den Reitern gibt es immer Ausnahmen!
Nedserd
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